Religiöse Konversion und Bekenntnis zusammenzudenken, folgt einer gewissen Logik: Der Entschluss zum Religionswechsel gilt gemeinhin als Zäsur, als Moment des lebensweltlichen Übergangs und der Verschiebung, der nach Außen wie nach Innen explizit angezeigt – bekannt – werden soll. Konversionsprozesse und damit verbunden der jeweilige »Akt des Bekennens« können jedoch sehr unterschiedlich verlaufen – abhängig von den formalen und strukturellen Vorgaben der jeweiligen Religion und ihrer Institutionen, von den gesellschaftlichen Entwicklungen und von den individuellen Konversionsgeschichten derjenigen, die sich aus verschiedenen Motiven zu einem Religionswechsel entschließen.
Das Teilprojekt geht der Frage nach, welche Bedeutung Bekenntnisse bei Religionswechseln einnehmen und wie diese aus welchen Gründen in unterschiedlichen kulturellen, sozialen und politischen Kontexten ausgestaltet sind. Aus Sicht vieler Religionsgemeinschaften stellen Konversionen immer noch den Ernst- oder Störfall, eine Irritation dar: Durch den Religionswechsel, so eine gängige Interpretation, werde das Gefüge religiöser Orientierung und sozialer Strukturen in Zweifel gezogen, zugleich werden Fragen von Macht und Bestandserhalt berührt. Zwar gelten Konversionen heute im europäischen Kontext als freie Entscheidung der Individuen; sie verlaufen jedoch keineswegs nur konfliktfrei. Inwiefern kann etwa die performative Praxis des Bekennens in Form verschiedener Rituale und Narrationen als Zeichen oder Versuch der (Wieder-)Herstellung oder Stabilisierung religiöser, aber auch sozialer und kultureller Ordnung gedeutet werden?
Das Teilprojekt ist ethnografisch und vergleichend angelegt, um die komplexen interreligiösen und kollektiven Zwischenräume, die beim Ein-, Aus- und Übertreten von einer beziehungsweise zu einer Religionsgemeinschaft entstehen und sowohl die/den Einzelne/n als auch Gemeinschaften betreffen, beleuchten zu können. Das bedeutet, anhand exemplarischer Fallbeispiele wird analysiert, welche Rolle die ex- und impliziten Formen und Formeln des Bekennens bei der Konversion einnehmen und welche Sinn- und Bedeutungszuschreibungen, welche Wahrnehmungen und Bewertungen die verschiedenen Akteurinnen und Akteure diesen beimessen.
Hoch oben in der Kuppel funkelte über den Köpfen ein Mosaik. Darunter, in der Mitte des achteckigen Raumes, plätscherte leise das Wasser in einem Bassin. Der Duft von verbranntem Wachs und parfümiertem Öl tränkte die Luft. Immer wieder durchbrach Sprechgesang die konzentrierte Stille. Unaufhaltsam vertrieb die aufgehende Sonne die Nacht. In der Spätantike war die Taufe ein Fest für die Sinne. So wie hier, im Baptisterium der Kathedrale zu Ravenna in der Mitte des 5. Jahrhunderts.
Salus extra ecclesiam non est – außerhalb der Kirche gibt es kein Heil. Auf diese Formel hatte Bischof Cyprian von Karthago schon im 3. Jahrhundert seine Gemeinde eingeschworen. Es war ein Erlösungsversprechen, in dessen Exklusivität eine leise Drohung mitklang. Schließlich setzte es die Existenz einer einzigen heilssichernden katholischen Kirche voraus, die es zu diesem Zeitpunkt allerdings so noch nicht gab. Vielmehr hatte die Kirche gerade erst begonnen, sich eine Gestalt zu geben. Doch eines war dieser imaginären Einheit, die sich gern als einen Leib feierte (1 Kor 12,12–31), gemein: Der Zugang zu den letzten Geheimnissen ihres Glaubens und den komplexen Bedeutungsgefügen ihrer Bilderwelten sollte nur jenen offen stehen, die an sie glaubten – und dies auch öffentlich im Taufakt bekannten.
So konstitutiv die Taufe als eine performative Inkorporation der kirchlichen Einheit auch war, ihre Formen und Formeln waren äußerst vielgestaltig. Aber auch sie verband eine Gemeinsamkeit: Der Ritus diente nämlich auch dazu, den Aspirantinnen und Aspiranten bewusst machen, was ihre Hinwendung zum Christentum tatsächlich bedeutete. Sie sollte nicht nur abstrakte theologische Denkfiguren intellektuell vermitteln, sondern diese auch körperlich spürbar werden lassen. Deshalb wurde die Taufe als eine Choreographie von Bekenntnissakten inszeniert; sie umfasste neben einer förmlichen Anmeldung zur Konversion auch Unterrichtseinheiten, Exorzismen, Salbungen oder Bußübungen. Sie alle bildeten dann einen Erfahrungsraum, in dem sich Sinn und Sinnlichkeit permanent durchdrangen.
Diese ästhetische Dimension des Bekenntnisses zu rekonstruieren, ist Ziel des Teilprojektes. Anhand von Textquellen sowie von Bau- und Kunstwerken aus der Zeit des 4. bis 6. Jahrhunderts, soll aufgezeigt werden, wie in den frühchristlichen Taufritualen Prozesse des Be- und Erkennens miteinander verflochten wurden. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Bildhaftigkeit des Ritus. Er stellte schließlich dar, was Christus selbst durchlebt hatte: Tod, Begräbnis und Auferstehung (Röm 6,3–6). Damit schrieb die Kirche im Erlebnis der Taufe ihre Heilsgeschichte in das Körpergedächtnis ihrer Glieder ein, um neben der Einheit des einen Leibes eine Hoffnung auf Erlösung zu stiften, wie sie Cyprian von Karthago gepredigt hatte.
Unter Memento-Särglein versteht man kleine, rund 12 Zentimeter lange und wenige Zentimeter breite, auf- und zuklappbare Kistchen, in denen ein mehr oder weniger verwester Leichnam oder eine Skelettfigur ruhen. Sie können von mahnenden oder appellierenden Versen begleitet werden und gehören zu der Gattung der Memento mori-Objekte.
Im Fokus der Studie sollen jene Kästchen des 17. und 18. Jahrhunderts stehen, die wachsbossierte Leiber verwahren und die nahezu ausschließlich aus dem katholischen süddeutschen Raum überliefert sind. Über den Gebrauchskontext und die künstlerischen sowie theologischen Traditionen der mit großer Kunstfertigkeit gearbeiteten Stücke ist nur sehr wenig bekannt, weshalb die Untersuchung hier ansetzen soll.
Die Särglein sollen die eigene Endlichkeit in Erinnerung rufen und gemahnen an das Leben nach dem Tod, das in seiner christlichen Erfüllung nur durch eine gottesfürchtige Lebensweise möglich wird. Gerade in der katholischen Barockfrömmigkeit war das Streben nach dem ewigen Heil zentral und die Bedeutung von Beichte und Buße nahm immens zu. Höchstwahrscheinlich ist die Entstehung und die Ausformung der zum Teil drastisch ausgeführten Leichname im Kreis der katholischen Adels- und Bürgerschicht zu suchen, da die Objekte in ihrer Mehrschichtigkeit ein gebildetes Publikum voraussetzen.
Die kleinformatigen Stücke waren zur religiösen Betrachtung gedacht und animierten zur Buße, zumal gerade in diesen Kreisen das private Gebet stark an Bedeutung zugenommen hatte. Sie dienten der Selbstprüfung, wobei die begangenen Sünden direkt vor Gott bekannt werden konnten. Dies geschah in Vorbereitung auf das für die Gläubigen jährlich obligate, kirchliche Beichtritual, in dem sie vor der Institution Kirche und damit Gott ihre Sünden bekennen sollten und damit auch ihre Zugehörigkeit zum Katholizismus bewiesen.
Doch welche visuelle Strategien der Objekte unterstützen die Bußgesinnung und damit die Selbsterforschung der Betrachtenden? Dazu soll die Medialität der verwendeten Materialien analysiert und die Tradition der Ikonographie offengelegt werden. Ebenso ist der Mechanismus des Öffnen und Schließens wesentlich für die affektiv-emotionale Wirkweise, der die Betrachtenden ausgesetzt werden soll. Dazu gehören auch die illusionistischen Mittel der Augentäuscherei, die drastischen Körperdarstellungen und Posen und die Provokation durch das Hervorrufen von Ekel bei gleichzeitiger Neugierde.