PROJEKT 2023/24 – Paradoxien des Schützens – TEILPROJEKTE
»Textile care?« – Verhüllungen von Monumenten im öffentlichen Raum und ihre paradoxalen Sinnstiftungen
Dr. Leena Crasemann
Denkmäler sind häufig Zeichen der Macht und somit auch immer wieder Orte des Streits. Sie werden errichtet, geschützt, umgedeutet, manche gestürmt oder sogar abgerissen. Es lässt sich eine scheinbar nie enden wollende Dynamik in der Denkmalsgeschichte ausmachen – eine Bewegung zwischen Abriss und Neuerrichtung von Monumenten. Diese Prozesse produzieren notwendig Paradoxien und Widersprüche.
Das Projekt befasst sich mit temporären Verhüllungen öffentlicher Denkmäler im Rahmen von künstlerischen Interventionen, um die nicht widerspruchsfreie Polarität von Pflege und Bewahrung versus Protest und Beseitigung im Medium des Textilen zu verhandeln. Denn schon der gesellschaftliche und politische Umgang mit Denkmälern nutzt Textilien, um sie auratisch aufzuladen oder kritisch zu befragen. Bereits die Geburtsstunde von Denkmälern ist in einen performativen, textilen Akt eingebunden: ihre feierliche Enthüllung. Ikonoklastische Angriffe wiederum, die Kritik üben, äußern sich ebenso häufig textil, etwa in Form von Protestbannern, angebrachten Flaggen oder temporären Verhüllungen.
Solche textilen Handlungen am Monument können als Akt der Auszeichnung von Seiten der Politik veranlasst sein oder sich als aktivistische Kritik einzelner Gruppierungen formulieren; einerseits signalisieren sie Denkmalschutz und andererseits Denkmalskritik. Oft forciert dies öffentliche Debatten über einzelne umstrittene Denkmäler, aber auch über grundsätzliche Fragen der Denkmalpflege und Strategien des Schützens von Kulturgut. Die Semantik des Textilen im gesellschafts-politischen Umgang mit Monumenten trägt also paradoxe Züge. Künstlerische Interventionen greifen diese teils gegensätzlichen Sinnebenen auf und bringen sie vielfach gleichzeitig zur Anschauung: Die Kunstaktionen reflektieren nicht nur wie eine Gesellschaft Monumente schützt, sondern auch inwieweit eine Gesellschaft vor bestimmten Monumenten zu schützen ist. Damit gilt es zu diskutieren, was ein Denkmal überhaupt ist, warum und unter welchen Bedingungen etwas als schützenswert deklariert und als kulturhistorisch relevant eingestuft wird, welche Interessen und Ziele dabei verfolgt werden, warum Streit und Verständigung notwendig sind – und welchen Beitrag die Kunst leisten kann, indem sie kritisch interveniert.
Kontakt
Forschungsprojekt »Paradoxien des Schützens«
der Isa Lohmann-Siems Stiftung 2023/24
c/o Kunstgeschichtliches Seminar/ Institut für Empirische Kulturwissenschaft
Universität Hamburg
Edmund-Siemers-Allee 1 ESA W (Westflügel)
20146 Hamburg