PROJEKT 2022/23 - KörperZeiten – TEILPROJEKTE

Über den Tod hinaus. Zeitkonzepte in den posthumen Fotografien von Emiliano Zapata und Che Guevara

Die posthumen Fotografien der lateinamerikanischen Revolutionäre Emiliano Zapata (1879–1919) und Che Guevara (1928–1967) stellen komplexe Beispiele der Inszenierung toter Körper dar, da diese Bilder unterschiedliche, zeitliche Ebenen implizieren. So weist die Inszenierung der Revolutionäre in den Fotografien eine so augenfällige Ähnlichkeit mit Beweinungsszenen Christi auf, dass ein Zufall ausgeschlossen erscheint. Durch die Parallelisierung der Körperhaltungen der Revolutionäre mit der des Gottessohnes und den Gemeinsamkeiten der bildlichen Komposition wird eine ikonografische Beziehung hergestellt. Der weitere Verlauf der Passionsgeschichte, besonders die folgende Auferstehung, wird als Teil der Bilderzählung in die Fotografien übertragen. Die Endgültigkeit des Todes wird somit in Frage gestellt.

Auch Revolutionen folgen verschiedenen Zeitkonzepten und sind oft als Umbruch, als zeitliche Zäsur, inszeniert. Dabei gilt die Auflösung der herrschenden Ordnung zugunsten einer gesellschaftlichen Neugestaltung als Ziel der Revolutionsbewegungen. Demnach verkörpern die Revolutionäre als Leitfiguren dieser angestrebten Systemveränderung eine Zeitenwende.

Schließlich ist es die Fotografie selbst, ihre mediale Beschaffenheit und ihr Potential als Beweis zu dienen, welche den Tod gleichsam bestätigt und dennoch eine überzeitliche Präsenz der Abgebildeten ermöglicht. Die konträren Zeitperspektiven – das Gezeigte ist bereits mit Betätigung des Abzugs vergangen und wird gleichzeitig dauerhaft festgehalten – potenzieren sich in den Aufnahmen der toten Körper. Der Tod wird in die Vergangenheit gerückt, während er ebenso durch ständige Reproduktion festgehalten und der Verfall der Körper somit (bildlich) aufgehalten wird.

Wie diese medialen, politischen und ikonografisch-semantischen Zeitebenen in den Fotografien von Revolutionären ihren Niederschlag gefunden haben, soll im Vortrag diskutiert werden. Dabei werden der historische Kontext und die Frage nach dem intendierten Publikum der Aufnahmen in die Betrachtung einbezogen.

 

 

Kontakt

koerperzeiten@gmail.com

Forschungsprojekt »KörperZeiten«
der Isa Lohmann-Siems Stiftung 2022/23
c/o Kunstgeschichtliches Seminar/ Institut für Empirische Kulturwissenschaft
Universität Hamburg
Edmund-Siemers-Allee 1 ESA W (Westflügel)
20146 Hamburg