Bei einem Charity-Event der Zeitschrift Vanity Fair in der Londoner Serpentine Gallery im Jahr 1994 trug Diana, Princess of Wales (1961-1997), das später von den Boulevardmedien betitelte »Revenge Dress« – ein auffallend kurzes, eng am Körper anliegendes Off-Shoulder-Kleid aus schwarzer Seide der griechischen Designerin Christina Stambolian. Glaubt man der medialen Darstellung, dann hatte Lady Di das Objekt bereits drei Jahre zuvor erworben, aber nie getragen. Erst an diesem Abend soll sie es einem Kleid von Valentino vorgezogen haben.
Zum Zeitpunkt dieses Auftritts lebten Lady Di und Prince Charles bereits seit zwei Jahren getrennt. An jenem denkwürdigen Abend allerdings wurde ein TV-Interview ausgestrahlt, in dem Charles ihre fünfzehnjährige Ehe offiziell für gescheitert erklärte und seine bereits lang vermutete Affäre mit Camilla Parker-Bowles eingestand. Die Bilder der Paparazzi, die Diana aus einer schwarzen Limousine aussteigend zeigen, gingen damals um die Welt und wurden als Antwort auf Charlesʼ Geständnis und als eine Form der Rache für diese öffentliche Demütigung gedeutet. Mit ihrem Auftritt in einem Kleidungsstück, das den weiblichen Körper jugendlich-erotisch in Szene setzte und zugleich zum Gegenstand öffentlicher Blicke – des male gaze – machte, widersetzte sie sich dem royalen Dresscode und den geltenden Konventionen für ein weibliches Mitglied des britischen Königshauses. Darüber hinaus aber wurde diese Selbstinszenierung Dianas als eine Form der (weiblichen) Befreiung, Selbstermächtigung und Selbstbehauptung interpretiert, da sie sich der Rolle der gekränkten und verstoßenen Ehefrau verweigerte.
Das Tagungsthema der KörperZeiten bietet hier mehrere Anknüpfungspunkte, die zum einen auf das Objekt selbst abzielen, nämlich den »Revenge-Dress« als materielles Medium der (Neu)Inszenierung des weiblichen Körpers, der hier zu einer Projektionsfläche und zum Aushandlungsort von Lebensalter, sexualisierter Attraktivität und weiblichen Schönheitsidealen wird. Zum anderen geht es um die popkulturellen Narrative, die das weltweit wahrgenommene Medienereignis in ein emotionales Vorher und Nachher einordnen und dabei den Auftritt Dianas als »Wiedergeburt« interpretieren. Dabei halten die Bilder quasi in einer Momentaufnahme das Verhältnis von (weiblichem) Körper und Zeitlichkeit fest, und es ist zu fragen, wie die damals gezeigten Körperbilder durch mediale (Re)Inszenierungen in der gegenwärtigen Populärkultur erinnert, aktualisiert und archiviert werden, wie hier also die Mythenbildung um die »Figur« Lady Di vorangetrieben wird.
Judith Butlers Annahme, dass der Körper sein Geschlecht durch eine Reihe von Akten hervorbringt, die im Laufe der Zeit wiederholt, aktualisiert und bekräftigt werden, wird als Ausgangspunkt genommen, um die visuelle Konstruktion von Männlichkeit(en) in Ilya Mashkovs »Selbstporträt mit Porträt von Pyotr Konchalovsky« zu untersuchen. 1910 präsentierte Mashkov (1881–1944) dem Moskauer Ausstellungspublikum das Doppelporträt mit seinem wenige Jahre älteren Malerfreund Konchalovsky (1876–1956) als gemaltes Manifest für die Künstlergruppe »Karo-Bube« (1910–1917), die sich in der Nachfolge der französischen Avantgarde und insbesondere Paul Cézannes sah. Die beiden Männer sind lediglich in Wrestlingshorts gekleidet und fallen insbesondere durch ihre vom wiederholten sportlichen Training gestählten Körper auf. Die Befragung von Mashkovs Gemälde findet daher vor dem Hintergrund der Popularität von Boxen, Wrestling und Kraftsport im Russland der Jahrhundertwende und bei den europäischen Avantgarden statt.
Die Inszenierung der virilen Künstlerkörper, halbnackt und in Sportkleidung, die in einem häuslichen Interieur eine spezifische Pose eingenommen haben, wirft die Frage auf, wie hier Geschlecht im Bild konstruiert wird beziehungsweise, wie dieses Bild von Männlichkeit mit dem umgebenden Raum korrespondiert. Ähnlich Kraftsportlern auf der Bühne sucht Mashkov den Blick des Publikums und präsentiert den gewölbten Bizeps seines rechten Armes. In seiner Hand hält er jedoch keine Hantel, sondern eine Geige. Das Interieur verweist, so ist sich die Forschung einig, auf einen Raum, den Cézanne in dem Gemälde »Mädchen am Klavier. Tannhäuser-Ouvertüre« (1869/70) für seine Mutter und jüngere Schwester entworfen hatte. Der weiblich konnotierte Innenraum ist zudem mit stilllebenartigen Elementen – einem Klavier zur Rechten der Protagonisten, Blumenbildern über ihren Köpfen und einem Kaffeeservice zu ihrer Linken – ausgestattet. Gebrochen wird diese weiblich markierte, häusliche Atmosphäre durch die muskulösen Künstlerkörper und mehrere Rundhanteln zu ihren Füßen, die auf Krafttraining verweisen. Körperliche Gesundheit und Kraft sowie der Anspruch, den eigenen Körper stetig zu stärken, waren wichtige Maxime für Mashkov.
Um der Verschränkung von Körper, Geschlecht und Zeitlichkeit auf die Spur zu kommen, gilt es zu fragen, wie in Mashkovs Doppelporträt geschlechtskonstituierende Handlungen wie die andauernde körperliche Ertüchtigung und der Moment der Pose aufeinandertreffen. In welchem Verhältnis stehen zudem die inszenierten Künstlerkörper und die sie rahmenden Stilllebenelemente zueinander? Der Beitrag untersucht also die zur Schau gestellte, durch vielfache Wiederholung von Kraftübungen erworbene Hypermaskulinität, die Produktion von Männlichkeit(en) im Bild und die (Selbst-)Inszenierung der Künstlerkörper.
Die posthumen Fotografien der lateinamerikanischen Revolutionäre Emiliano Zapata (1879–1919) und Che Guevara (1928–1967) stellen komplexe Beispiele der Inszenierung toter Körper dar, da diese Bilder unterschiedliche, zeitliche Ebenen implizieren. So weist die Inszenierung der Revolutionäre in den Fotografien eine so augenfällige Ähnlichkeit mit Beweinungsszenen Christi auf, dass ein Zufall ausgeschlossen erscheint. Durch die Parallelisierung der Körperhaltungen der Revolutionäre mit der des Gottessohnes und den Gemeinsamkeiten der bildlichen Komposition wird eine ikonografische Beziehung hergestellt. Der weitere Verlauf der Passionsgeschichte, besonders die folgende Auferstehung, wird als Teil der Bilderzählung in die Fotografien übertragen. Die Endgültigkeit des Todes wird somit in Frage gestellt.
Auch Revolutionen folgen verschiedenen Zeitkonzepten und sind oft als Umbruch, als zeitliche Zäsur, inszeniert. Dabei gilt die Auflösung der herrschenden Ordnung zugunsten einer gesellschaftlichen Neugestaltung als Ziel der Revolutionsbewegungen. Demnach verkörpern die Revolutionäre als Leitfiguren dieser angestrebten Systemveränderung eine Zeitenwende.
Schließlich ist es die Fotografie selbst, ihre mediale Beschaffenheit und ihr Potential als Beweis zu dienen, welche den Tod gleichsam bestätigt und dennoch eine überzeitliche Präsenz der Abgebildeten ermöglicht. Die konträren Zeitperspektiven – das Gezeigte ist bereits mit Betätigung des Abzugs vergangen und wird gleichzeitig dauerhaft festgehalten – potenzieren sich in den Aufnahmen der toten Körper. Der Tod wird in die Vergangenheit gerückt, während er ebenso durch ständige Reproduktion festgehalten und der Verfall der Körper somit (bildlich) aufgehalten wird.
Wie diese medialen, politischen und ikonografisch-semantischen Zeitebenen in den Fotografien von Revolutionären ihren Niederschlag gefunden haben, soll im Vortrag diskutiert werden. Dabei werden der historische Kontext und die Frage nach dem intendierten Publikum der Aufnahmen in die Betrachtung einbezogen.