In mittelalterlichen Miniaturen, Reliefs und Tafelbildern finden sich Szenen, die den Eingang in die Hölle – das Pendant zur architektonischen Himmelspforte – als geöffneten Schlund eines bedrohlichen Wesens darstellen. Mit weit gespreiztem Kiefer und spitzen Zähnen verleibt sich das meist körperlose Geschöpf die Verdammten ein, die am Tag des Jüngsten Gerichts in sein Maul getrieben, in seinen Rachen gestürzt oder in seinem Schlund von Dämonen malträtiert werden. Auch biblische Quellen, apokryphe Texte und Visionsberichte kennen diesen Schreckensort. Alberich von Settefrati hatte beispielsweise 1130 eine Vision über die Hölle empfangen, von der er ausführt, dass ein unendlich großer, angeketteter Wurm unzählige Verdammte beim Einatmen verschlang und zu Asche verbrannt wieder ausatmete. Dieser Vorgang wiederholte sich so oft, bis die Gläubigen von ihren Sünden gereinigt waren.
Das Projekt widmet sich dem Motiv des Höllenschlundes. Der Kopfbereich des Höllenwesens markiert dabei eine liminale Zone, die in die Hölle führt oder selbst als Läuterungsort fungiert, an dem die Sünder nach ihrem Tod büßen müssen. Ist der Schlund ein Übergang, kann die Öffnung den Gläubigen eine Vorahnung von den folgenden Höllenqualen geben. Der Leib des Geschöpfes und der Ort, an den die Sünder nach dem Überschreiten der Schwelle gelangen, werden in den zu untersuchenden Darstellungen jedoch zumeist nicht gezeigt. Eine Auseinandersetzung mit der Charakterisierung des höllischen Kopfes soll versuchen zu klären, inwiefern die Kreatur im Läuterungsprozess eine aktive oder passive Rolle einnimmt, ob der Prozess des Verschluckens, des Verdauens und des Ausscheidens thematisiert, wie das ungewisse ›Dahinter‹ imaginiert und letztendlich der Zustand des Gläubigen verhandelt wird.
Darüber hinaus sind auch die Kontexte der Darstellungen von Bedeutung: Ist das Motiv selbst vermehrt an Ein- und Übergängen zu finden, und ergibt sich dabei für die Betrachter eine Parallelisierung der Schwelle im Bild zu einer räumlich erfahrbaren Schwelle? Welche Rolle spielen die Betrachtenden und ihre Positionierung zum Bildwerk, wenn diese etwa durch ein Portal schreiten, das von einem Höllenschlund geziert wird, oder durch ein Manuskript blättern, das eine solche Abbildung aufweist? Zu fragen ist dann auch, wie die Sünder in den Motiven als Identifikationsfiguren für die Betrachter charakterisiert sind. Letztlich soll anhand ausgewählter Bilder und Bildwerke untersucht werden, in welcher Form bereits an einem Ein- oder Übergang die multisensorischen Qualitäten des ›Dahinter‹ thematisiert werden und ob es in der Liturgie Entsprechungen zu diesen Eindrücken gibt.
Das Projekt FamilienFilmEssen befasst sich mit filmischen Repräsentationen familiärer Ernährungskultur. Es geht dabei von der These aus, dass sich gerade im Genre des Amateurfilms Vorstellungen und Wunschbilder von Familie materialisieren, dass hier also auf eine spezifische Weise die Institution Familie sicht- und reproduzierbar gemacht wird. Ausgehend von der Frage nach dem, »was beim Essen alles mitgegessen wird« (Jeggle 1988), stehen familiäre Versorgungs-, Kommunikations- und Aushandlungsprozesse beim Essen im Mittelpunkt des Forschungsprojekts. Der Esstisch wird dabei als Ort verstanden, an dem mit dem (gemeinsamen) Vorgang der Nahrungsaufnahme nicht nur Essbares einverleibt wird. Geht man davon aus, dass je nach Generation und sozialer Schicht unterschiedliche Vorstellungen von Lebensmodellen, von Geschlechter-, Macht- und Beziehungsstrukturen sowie bildungspolitische Entwicklungen das familiäre Zusammenleben prägen, dann ist danach zu fragen, ob und wie diese Rahmenbedingungen zugleich auf die Vorbereitung, die Inszenierung, den Verzehr und die Nachbereitung von Nahrung einwirken. Das gemeinsame Essen ist zugleich ein Moment der Transformation, der spezifischen Regeln unterliegt und bei dem familiäre Hierarchien, Erziehungskonzepte sowie Wert- und Ordnungsvorstellungen interaktiv produziert und eingeübt werden.
Im Mittelpunkt des Projekts stehen filmische Quellen, die im Hinblick auf die Repräsentation von Essen als Praxis sowie als materielles Objekt befragt werden. Untersucht wird, mit welchen filmischen Mitteln gemeinschaftliche Rituale bei der Vorbereitung und Gestaltung von Mahlzeiten bzw. der Nahrungsaufnahme in Szene gesetzt werden. Darüber hinaus fragt das Projekt danach, welche Strategien von Amateuren eingesetzt werden, um die Materialität und Sinnlichkeit von Essen visuell festzuhalten. Essen und Film sind dabei jeweils als Medien zu verstehen, durch die Zusammengehörigkeit und Abgrenzung ausgehandelt und Familie im doppelten Sinne »aufgenommen« und qua gefilmter Mahlzeit einverleibt wird. Während einerseits Nahrung in Form von Speise-Traditionen, die gemeinsame Zeit bei Tisch oder vererbte Familienrezepte als identitäts- und familienstiftend interpretiert werden können, hält andererseits die Kamera gemeinsame Momente als wichtigen Teil der Familiengeschichte fest und vermittelt auf diese Weise ebenso familiäre Einheit. Zu untersuchen ist, welche Wechselwirkungen sich dabei zwischen diesen Praktiken ergeben. Auch hat sich der familiäre Amateurfilm bedingt durch digitale Aufnahmetechniken bzw. Veröffentlichungspraktiken in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Zu fragen ist daher, ob und wie sich auch familiäres Essen vor der Kamera verändert. Verschiebungen sind etwa hinsichtlich der Räume, der Erziehungs- und Benimmregeln oder der Herkunft und Zubereitungsweise von Lebensmitteln denkbar.
Privater Film und Essen stehen darüber hinaus gleichermaßen für Intimität und Erinnerung. Nahrungsaufnahme wird oftmals als intimer Prozess empfunden – wann kommt die Kamera beim Essen (oder gar beim Naschen oder Schlemmen) zum Einsatz? Welche Strategien des Filmens, Kommentierens, aber auch des Verbergens finden hier Anwendung? In Bezug auf familiäres Erinnern sind mit bestimmten Gerichten, Gerüchen oder Geräuschen Kindheits-Szenen oder die Erinnerung an einzelne Familienmitglieder verbunden. Zu untersuchen sind hier vor allem Hoch-Zeiten wie Geburtstage oder das Weihnachtsfest in der filmischen Repräsentation: Wird das Festessen als Teil des Ereignisses gefilmt, als erinnerungs- und filmwürdig erachtet, und wie werden Alltag und Fest filmisch unterschieden?
Wie ein Mirakelbuch der Wallfahrt Maria Taferl in Niederösterreich aus dem Jahre 1748 ausführt, habe eine gewisse Maria Prunerin »aus Kleinmüthigkeit sich selbst entleiben [umbringen] wollen«. Allerdings soll sie »vor der That einen Theil von dem papierenen MARIA-Täferl=Bild, welches an ihre Bethstatt angepapet gewesen, herabgerissen, auch geschlucket [haben], mit den Worten: MARIA-Täferl verlaß mich nicht«, worauf sie trotz ihrer schweren Verletzungen am Leben blieb. Das Misslingen dieses Selbstmordversuches wird in dem vorliegenden Bericht auf die Einverleibung des kleinen Stückchens von dem Andachtsblatt zurückgeführt, das die gläubige Katholikin in ihrer Not von ihrem Bett abriss und hierauf verzehrte. Es handelt sich um ein bemerkenswertes Zeugnis für die in der Frühen Neuzeit verbreitete Praxis, gemalte oder gedruckte Darstellungen, die zumeist marianische Gnadenbilder zeigten, in prekären Momenten wie dem Geburtsvorgang, bei Krankheit oder nahendem Tod nicht nur auf das Körperäußere aufzulegen, sondern auch dem Inneren zuzuführen. Sogenannte Schluckbildchen wurden eigens zu diesem Zweck in größerer Anzahl auf Bögen zusammengestellt und als Massenware in Wallfahrtsorten an die Gläubigen abgegeben. Zu den Devotionalien, die als »medikamentöse« Heilmittel in einer »geistlichen« Hausapotheke nicht fehlen sollten, zählen überdies kleine Schabfiguren, von denen feine Späne abgerieben wurden, um sie hierauf in Wasser aufzulösen oder dem Essen beizumischen; auch erkrankte Tiere versuchte man durch diesen Bildgebrauch zu kurieren.
Das Forschungsprojekt beschäftigt sich aus kunsthistorischer Perspektive mit Bildern, die in akuten Krisen nicht nur betrachtet, sondern darüber hinausgehend auch materiell einverleibt wurden. Im Fokus steht die Konzeption von Schluckbildchen und Schabfiguren, die explizit zur durch den Mund und das Herunterschlucken vermittelten Aufnahme in das Leibesinnere angefertigt wurden. Untersucht werden soll, ob es formale Charakteristika gibt, die eine Gruppe von Schluckbildchen bzw. Schabfiguren auszeichnen? Inwiefern bedingte der aus heutiger Sicht ungewöhnlich erscheinende Gebrauch dieser Massenmedien nicht nur ihr Format, sondern auch ihre Gestaltung? Wie nahm das Dargestellte auf spezifische Krankheiten oder Organe Bezug, die es zu kurieren galt? Wie ist der Einsatz von Farbe zu bewerten? Im Hinblick auf die Frage, welche Aussagen sich ganz grundsätzlich über den Vorgang der Bildrezeption und -verdauung treffen lassen, gilt es zu überlegen, inwiefern insbesondere der Magen als Bildspeicher vorzustellen ist, dem Qualitäten zugesprochen wurden, die eine über das Auge vermittelte Wahrnehmung ergänzen bzw. möglicherweise auch verändern konnten. Besondere Aufmerksamkeit soll überdies der Frage nach synästhetischen Effekte beigemessen werden. Wie konnte ein als Therapeutikum verabreichtes Bild durch das Betasten mit der Zunge angeeignet werden? Inwiefern ist neben der Haptik auch der Geschmack von Bildern mitzudenken? Schließlich gilt es auszuloten, inwiefern durch die als »geistliche Nahrung« verabreichten Bilder Assoziationen mit bestimmten Gerüchen oder akustischen Reizen aufgerufen werden konnten, die als förderlich für den Heilungsprozess erachtet wurden.