Isa Lohmann-Siems Stiftung

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Vergangene Projekte

Projekt 2008/09

Kulturelle Übersetzungen - TEILPROJEKTE -

(Nur) Sprachideologien? – Übersetzungsprozesse zwischen Erfahrung und Politik oder Versuch einer Feminisierung des Rechtsdiskurses in Polen

Anika Keinz

Kurz nach dem Zusammenbruch des Sozialismus in Polen führten Proteste gegen die Einführung eines restriktiven Anti-Abtreibungsgesetzes zu heftigen Debatten über den Status von Frauen, Geschlechterverhältnissen und Chancengleichheit in der neuen Demokratie. Im Zuge dessen gründeten sich die ersten Frauenorganisationen. Die Anerkennung von Frauenrechten als integraler Bestandteil der universellen Menschenrechte 1993 in Wien, die Einführung der Kategorie Gender in die internationale Politik mit der Aktionsplattform (Platform of Action) auf der Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 und schließlich die EU-Direktiven und das Gender Mainstreaming Programm der EU, boten den Frauenorganisationen ab Mitte der 1990er Jahre Instrumente, um politische und soziale Rechte für Frauen zu diskutieren und zu fordern.

In meinem Beitrag werde ich der Aneignung eines »internationalen Gender-Vokabulars« seitens Frauenorganisationen in Polen und den Debatten, die eine solche »neue Sprache« im politischen Feld in Polen auslöste, nachgehen. Dabei konzentriere ich mich auf zwei Aspekte: erstens, wie das Aufgreifen einer »internationalen« Sprache es erlaubt, Erfahrungen in eine Sprache der Politik zu übersetzen. Inwiefern liefert diese »neue Sprache« ein Vokabular, um gegen Formen der Ungleichheit vorzugehen und Themen wie Diskriminierung und häusliche Gewalt zu einem Gegenstand der öffentlichen Debatte zu machen? Zum Zweiten frage ich, auf welche Weise diese »neue Sprache« das kulturelle Verständnis, das an einen Begriff oder ein Konzept gebunden ist und das soziale und politische Strukturen sprachlich transportiert, verändert. Welche kulturellen Übersetzungsleistungen werden, neben der oft umständlichen sprachlichen Übersetzung, dabei augenscheinlich und welche gesellschaftlichen Divisionen werden dabei verhandelt? Dabei richte ich meinen Blick auf die Wahrnehmungsverschiebungen, indem ich frage, auf welche Weise »internationale« Begriffe lokale Verhältnisse rekonfigurieren bzw. nationale Ideologien (oder auch Narrative) in Frage stellen. Diese Fragen werde ich am Beispiel diskursiver Differenzen, die die Europäisierung und Transnationalisierung von Gender und Frauenrechten in einem bestimmten, nämlich dem polnischen »nationalen« Diskurs erzeugt(e), konkretisieren.

Eigensinnige Übersetzung(en). Ästhetische Praktiken und subversive Re-Präsentation von Macht

Klaus Schönberger

Im Zuge des Aufkommens der transnationalen sozialen globalisierungskritischen Bewegungen und dem Bedeutungszuwachs der Neuen Medien entwickelte sich eine Form von politischem Aktivismus, der stark auf künstlerisch-ästhetische Momente setzt. Hierbei wird sowohl im Kontext von politischem Aktivismus und im Rahmen von Konzepten politisch eingreifender Kunstpraxis auf eine Form von Protest zurückgegriffen, die sehr stark von Techniken des Dadaismus, Surrealismus, Situationismus, Fluxus, Aktionskunst, elektronischer Musik und des Neoismus geprägt sind. Im Rahmen dieses Aktivismus sind Praktiken des Happenings, des Cut-ups, der Collage und der Montage, des Mashups, des Zitierens und des Remix geläufig. Der Anspruch der hiermit angerufenen künstlerischen Avantgarden, den Kunstbegriff wie auch den Kunstbetrieb hinter sich zu lassen, wurde dabei weniger im Rahmen des Kunstkontextes realisiert, als vielmehr dem Feld der politischen Intervention.

Konkretisiert werden sollen diese Überlegungen anhand der europäischen Rezeption des »San Precario« beziehungsweise des »Heiligen Prekarius«, eines in Italien erfundenen Schutzheiligen der prekär Beschäftigten. Hier werden traditionale Vorstellungen von Heiligen (ästhetisch wie hinsichtlich der Funktion) aufgegriffen und in einer offenen Camouflage gegen die prekären Arbeitsbedingungen gewendet. Hierbei treten Aktivistinnen und Aktivisten auf öffentlichen Plätzen, in Supermärkten, bei Filmfestivals, Modeschauen oder eben auch bei karnevalesk durchgeführten Prozessionen mit von ihnen selbst gestalteten San Precario-Figuren in Erscheinung. Der Auftritt ist jeweils als kultischer Ritus konzipiert und mit entsprechender Ikonographie, Hagiographie und dem katholischen Glauben nachempfundenen Praktiken der Heiligenverehrung verbunden. Diese Praktiken beziehen sich unmittelbar auf die katholische Tradition, mit von Gläubigen getragenen Heiligenstatuen Prozessionen durch Dörfer, über Felder und im städtischen Raum durchzuführen und spielt auf die in der christlichen Hagiographie überlieferten Mentalschablonen »invocatio und imitatio« und den mit ihnen verbundenen Praktiken der Anrufung und des Nacheiferns an. Hier sollen die Menschen nicht getäuscht werden, aber die hegemoniale (katholische) kulturelle Grammatik wird imitiert, zitiert und in einen anderen Kontext übersetzt: Persistenz und Rekombination.

Westliche Technik, japanischer Geist: Künstlerische Materialien als Medien der Übersetzung

Vera Wolff

In Japan hat Ölmalerei keine lange Tradition. Systematisch eingeführt wurde sie erst ab dem Jahr 1876, als das Wirtschaftsministerium die Tokioter Hochschule zur Vermittlung der künstlerischen Techniken des Westens gründen ließ. Das Projekt folgte einem Prinzip der Modernisierung Japans, das als »wakon yosai« – ›japanischer Geist, westliche Technik‹ – bezeichnet wurde. Die japanische Ölmalerei stieß im Westen jedoch auf Ablehnung: Mit solchen Imitationen verspiele das Land sein kulturelles Erbe. Auch in Japan selbst war ihr Import nicht unumstritten: Die gezielte Aneignung moderner Techniken, mit der Japan seine Kolonialisierung verhindern wollte, kritisierten Intellektuelle und Kulturfunktionäre wie Okakura Kakuzo als eine Form der Verwestlichung. In Abgrenzung dazu initiierte Okakura gemeinsam mit einem in Japan lehrenden Amerikaner, Ernest Fenollosa, eine moderne Schule, die die klassische japanische Malerei, die in traditionellen Techniken mit wasserlöslichen Pigmenten auf Seide oder Papier ausgeführt wird, wiederbeleben sollte. Von der Materialität dieser Malerei leiteten sie eine spezifisch japanische Ästhetik ab, die sie mit Hilfe der idealistischen Philosophie des Westens legitimierten. Damit hatten Okakura und Fenellosa eine besonders subtile und, wie sich zeigen läßt, besonders erfolgreiche Variante des »wakon yosai« erfunden.

Mein Vortrag wird von diesem exemplarischen Versuch einer kulturellen Übersetzung ausgehen und die Wirkungen und Verwerfungen nachvollziehen, die die Übertragung einer künstlerischen Technik aus einem kulturellen Kontext in einen anderen haben kann. Anhand der Frage, welche ikonographischen Bedeutungen den Techniken und Materialien der japanischer Malerei in der Folge zugewiesen und wie sie von künstlerischer und theoretischer Seite reflektiert wurden, wird mein Vortrag die Diskursgeschichte der japanischen Malerei kursorisch bis in die Gegenwart verfolgen.

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