Isa Lohmann-Siems Stiftung

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Projekt 2025/26

Dissonanzen.

Unbequeme Potenziale, harmonische Widersprüche?

Wo Dissonanzen sind, entsteht Reibung. Zunächst können sie disparat oder sogar verstörend erscheinen. Jedoch entfalten Dissonanzen bei genauerer Betrachtung in verschiedenen Bereichen ein kreatives Potenzial, das über eine Irritation hinausgeht. Sie generieren einen Mehrwert, der Innovation, Reflexion und Neubewertung ermöglicht.

In der Musik erzeugen Dissonanzen zunächst einen Missklang, können aber bewusst eingesetzt zur Harmonie hinführen. Zwischen Konsonanz und Dissonanz entsteht oftmals ein Spannungsfeld, das sich nicht nur in der Musik, sondern auch in anderen künstlerischen und wissenschaftlichen Feldern beobachten lässt. In Kunst und Literatur beispielsweise schärfen Widersprüche und Brüche eine Aussage, indem sie Wahrnehmungsmuster irritieren und neue Perspektiven eröffnen. Dabei ist die Einordnung eines Phänomens als dissonant immer kulturell geprägt und historisch veränderlich. Eine Tatsache, die nicht immer offensichtlich ist und die es in der Auseinandersetzung mit dem Phänomen stets mitzudenken und aufzuzeigen gilt.

Werden Dissonanzen wahrgenommen, treten Gegensätze in den Vordergrund. Brüche und Widersprüche können den Eindruck von Unordnung und Gefühle von Missfallen auslösen. Insbesondere bei Individuen wird dieses Phänomen in der Psychologie als kognitive Dissonanz beschrieben; ein unangenehmer Gefühlszustand, der zu einem inneren Konflikt führt. So rufen Dissonanzen häufig das Verlangen nach Harmonie hervor. Insbesondere in der Resonanz- Theorie (Hartmut Rosa) findet der Wunsch des Menschen nach harmonischen Beziehungsmustern Berücksichtigung.

Zudem prägen Dissonanzen gesellschaftliche Prozesse. Dissonanz ist ein Charakteristikum einer pluralistischen Gesellschaft und wirft die Frage auf, inwieweit die Wahrnehmung von Verschiedenheit eine Grundlage für dissonante Phänomene darstellt. Im Austausch entstehen produktive Spannungen, wenn unterschiedliche Positionen, Traditionen und Weltbilder aufeinandertreffen und miteinander in Verhandlung treten.

Besondere Potenziale liegen aber auch dort, wo die Dissonanz bewusst kreiert oder – beabsichtigt oder nicht – aufrechterhalten wird. Statt eine Synthese anzustreben, kann es reizvoll sein, in der Spannung zu verharren. Es entsteht ein Moment des Oszillierens – ein Dazwischen, welches eine eigene Dynamik entfaltet. Dies gilt gleichermaßen für die ästhetische Wahrnehmung. So spricht Arnold Schönberg von der Emanzipation der Dissonanz und etabliert sie als ästhetische Kategorie eigenen Rechts.

Die Tagung wird dem Wirken von Dissonanzen in interdisziplinären Ansätzen nachspüren. Welche Potenziale, aber auch welche Gefahren und Konflikte können von ihnen ausgehen? Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit Dissonanzen wahrgenommen werden und Potenziale entfaltet werden können? Welche sinnlich erfahrbaren Strategien führen zu dissonanten Eindrücken und inwiefern können sie für bestimmte Aussagen nutzbar gemacht werden?

 

Kontakt:

sonja.kerkloh@uni-hamburg.de

Forschungsprojekt »Dissonanzen«
der Isa Lohmann-Siems Stiftung 2025/26
c/o Universität Hamburg

Tagung

Datum 20.–21. Februar 2026

Warburg-Haus,
Heilwigstraße 116,
20249 Hamburg
(Hybrid-Veranstaltung)

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