PROJEKT 2013/14 – Verrückt, Verrutscht, Versetzt – TEILPROJEKTE

Verrutschte Gewänder, verzerrte Gesichter.
Die Darstellung der Schergen in Passionsbildern

Daria Dittmeyer

In mittelalterlichen Passionsbildern erfüllt die Darstellung verrutschter Gewänder und verzerrter Gesichtszüge der Peiniger Jesu wichtige wirkungsästhetische Funktionen. Der innerbildlichen Logik nach liegen die Ursachen des Verrutscht-Seins der Kleidung in aggressiven bzw. unkontrollierten Bewegungen, in Nachlässigkeit oder Freizügigkeit des Trägers. Die Mimik kann als bewusst zur Grimasse hin oder als unbewusst verzogen gedacht sein. In jedem Fall soll durch die Darstellung letztlich – basierend auf einem stark vereinfachten Verständnis des ›Körpers als Spiegel der Seele‹ – der negative Charakter der Ungläubigen visualisiert werden.

Das Motiv des Verschiebens kann im Bild als Prozess oder als Ergebnis dargestellt sein. Damit der Betrachter erkennt, dass einem bildlich fixierten Zustand ein Prozess des Verschiebens vorangegangen sein muss, darf die Art der Darstellung bestimmte Erwartungen nicht erfüllen: Etwas befindet sich nicht mehr dort, wo es anzunehmen war. Verschiebungen im Bild sind insofern interessant, als durch sie Bedeutungen konstituiert oder Bildaussagen verstärkt werden, sie auf einen stattgefundenen Wandel hinweisen oder ihn dokumentieren, oder sie andere bildästhetische Funktionen besitzen.

Am konkreten Beispiel der Passionsdarstellungen fragt das Forschungsprojekt danach, wann und wo verrutschte Gewänder und verzerrte Gesichter mit wirkungsästhetischer Funktion erstmals auftreten und welche Entwicklung sie fortan nehmen. Was sind die spezifischen Bedeutungen der einzelnen Motive und wie entfalten sie ihre jeweilige Wirkung auf den Betrachter?