PROJEKT 2010/11 – Mediale Wechselwirkungen – TEILPROJEKTE

Bilderhandschriften in der Frühzeit des Drucks.
Margarethe von Savoyen und die »Werkstatt des Ludwig Henfflin«

Iris Höger

Um das Jahr 1477 entstehen in der schwäbischen »Werkstatt des Ludwig Henfflin« in nur wenigen Jahren neun reich bebilderte Handschriften wohl im Auftrag Margarethes von Savoyen, der Gemahlin Graf Ulrichs V. von Württemberg. Mit Ausnahme einer dreibändigen deutschen Bibel überliefern die Handschriften ausschließlich spätmittelalterliche Unterhaltungsliteratur in deutscher Sprache. Vorrangig handelt es sich dabei um jüngst entstandene bzw. neu bearbeitete Literatur. Obwohl der Buchdruck zur Verfügung steht (der Neffe Margarethes, Eberhard im Barte, lässt um 1480 das »Buch der Beispiele der alten Weisen« bei Konrad Fyner in Urach drucken) und teilweise gedruckte Ausgaben der Werke schon vorliegen (die dreibändige Henfflin-Bibel ist eine Druckabschrift der Mentelin-Bibel, der »Ackermann von Böhmen« wurde bereits um 1463 bei Albrecht Pfister in Bamberg gedruckt) wählt Margarethe von Savoyen offenbar bewusst das ältere Medium der Bilderhandschrift für den Transport der sie interessierenden Stoffe.

Das Forschungsprojekt fragt nach Entstehungsbedingungen und Funktionsanspruch der illustrierten Handschriften aus der Werkstatt des Ludwig Henfflin in einer Zeit, in der Handschrift und Buchdruck nebeneinander existieren und sich wechselseitig beeinflussen. Was verraten die Henfflin-Handschriften über den Prozess ihrer Herstellung und die Rolle, die ihre Auftraggeberin Margarethe von Savoyen für die Werkstatt spielte? Welcher (gesellschaftliche) Anspruch spiegelt sich in Literaturauswahl und Ausstattungsniveau der Handschriften? Welchen Stellenwert nimmt dabei die Illustration ein? Existieren für die jeweiligen Stoffe feste Bildmuster bzw. Bildtraditionen und in welches Verhältnis treten die Illustrationen der Henfflin-Werkstatt hierzu? Fügen sich die Illustrationen zu Bildprogrammen zusammen, die den Text interpretieren oder kommentieren und so eigene Deutungsangebote eröffnen? Welches Verständnis von Inhalt und Funktion der Handschriften spiegelt sich hierin? Und mag dieses Verständnis für die Wahl des Mediums Bilderhandschrift ausschlaggebend gewesen sein?